Grundsatzrede für neue Stadtratsperiode

Arbeit im Stadtrat soll von einem hohem Maß des Miteinanders geprägt sein

Grundsatz-Rede von Dr. Anja Prölß-Kammerer, Vorsitzende der SPD-Fraktion zur Konsitutierung des neuen Nürnberger Stadtrates (es gilt das gesprochene Wort):

 

 

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte an der Kommunalpolitik interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer,

sehr geehrte Damen und Herren der Presse,

nach langen Wochen des Wahlkampfs, nicht nur auf kommunaler Ebene, auch auf den anderen politischen Ebenen, wollen wir heute nun in die neue Periode des Nürnberger Stadtrats starten. Dazu wünsche ich uns allen Kraft, ein gutes Miteinander und erfolgreiches Handeln für das Wohl der Stadt, wie es unser Motto auch im Wahlkampf war: für eine soldarische Stadtgesellschaft.

Die zukünftige Arbeit im Stadtrat soll auch in Zukunft von einem hohen Maß des Miteinanders geprägt sein, alle politischen Kräfte in diesem Haus – das möchte ich auch ganz deutlich auch im Andenken an unseren verstorbenen Kollegen Arno Hamburger sagen – mit Ausnahme der Rechtsextremen – fordern wir auf, sich aktiv an der Ausgestaltung und Weiterentwicklung unserer Stadt zu beteiligen und einzubringen.

Die SPD hat bei den Wahlen sehr gut abgeschnitten, wir sehen darin eine Bestätigung unserer bisherigen Arbeit im Stadtrat – und einen Auftrag, die Schwerpunkte fortzusetzen, aber auch die politische Kultur, die wir hier im Rat leben. Das Ergebnis der Kommunalwahlen setzt uns in den Stand, weiter deutlich mit Abstand die stärkste Fraktion im Rathaus zu sein – wir wollen und werden damit auch weiter verantwortungsbewusst umgehen. 

Dennoch sind wir uns bewusst, dass 54, 4 % der Bürgerinnen und Bürger nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Wir haben bei dieser geringen Wahlbeteiligung festzustellen, dass es einen verfestigten Block Nichtwähler gibt, einen verfestigten Block derjenigen, die sich von den Parteien verabschiedet haben. Wir müssen uns daher fragen: Haben sie sich damit auch von Staat und Gesellschaft verabschiedet?

Wir wissen, dass dies in erster Linie arme Menschen, Arbeitslose und Menschen ohne Schulabschluss sind. Wenn es nach wie vor darum gehen muss, in Nürnberg eine soldarische Stadtgesellschaft zu bewahren, muss es darum gehen, Themen voranzubringen, die diese Menschen bewegen, beschäftigen, bzw. bedrücken. Es muss darum gehen, dass wir in der Kommune, wir als Stadtrat Politik für diejenigen machen wollen und müssen, Politik für diejenigen machen, die wir vertreten, d.h.Stellvertreterpolitik machen. Deren Anliegen dürfen nicht verloren gehen – neben den Anliegen derer, die sich aktiv in die kommunalpolitischen Fragen einbringen.

Daher muss es weiter unser Anliegen sein, mit den Menschen zu reden, mit ihnen in Dialog zu treten, unterwegs zu sein, um mitzubekommen, was sie bewegt. Ich möchte es mit Max Weber sagen, den ja auch der Oberbürgermeister gerne zitiert: „Man braucht kein Schuster zu sein, um zu wissen, ob der Schuh drückt, den der Schuster hergestellt hat.“ Wir müssen uns darum kümmern, herauszufinden, wo die Nürnbergerinnen und Nürnberger der Schuh drückt, das geht nur, wenn man mit ihnen redet, den direkten Kontakt sucht.

Im Wahlkampf dagegen wurden Themen gespielt, die ich eher als „Kür“ bezeichnen würde – auch die Medien haben sich vor allem mit diesen Themen beschäftigt -  Themen wie Konzertsaal, Ratshaussaalbemalung, Parkplätze in der Altstadt – aber sind das die Themen, die die Menschen wirklich bewegen? Sind das die Themen, wo sie der Schuh drückt? Sind das die Themen, die uns in der Kommunalpolitik die nächsten Jahre bewegen müssen, oder sind das andere Themen?

Schaut man sich die Analyse nach den Kommunalwahlen an, was die Menschen als Themen angegeben haben, die sie bewegen, sind dies:

-          Bildung

-          Wirtschaft und Arbeit

-          Stadtentwicklung und Wohnen

Darin muss unser Themenkatalog auch für die kommenden Jahre bestehen – das sind die entscheidenden Themen für die Zukunft unserer Stadt – einige möchte ich explizit aufzählen:

1)    Solide Finanzen

Ziel ist weiterhin ein ausgeglichener Haushalt und eine Begrenzung der Neuverschuldung, wenn möglich, eine Reduzierung der Verschuldung. Gleichzeitig wissen wir, dass die aktuellen Investitionen Investitionen in die Zukunft sind, all diese Projekte werden seit langem diskutiert, dazu zählen vor allem die weiteren Schulaus- und Neubauten, der weitere Ausbau von Horten und Krippen, die bekannten ÖPNV- und Straßenbaumaßnahmen, und die im Bereich Kultur und Umwelt wichtigen Projekte. Daran halten wir auch in der kommenden Periode fest, weil dies Investitionen in die Zukunft und Attraktivität Nürnbergs sind.

 

2)    Bildung / Betreuung – Ausbau der Infrastruktur

Bildung, Ausbildung und Fortbildung stehen im Zentrum unserer Politik. Bildung umfasst neben Schule noch viele andere Bereiche, dazu zählen die Kindertagesstätten genauso wie in der Freizeit genutzte Bildungsstätten, Jugend- Kultur- und Sportangebote. Mit dem Bildungsbüro und den damit verbundenen Gremien sowie dem Bildungsbericht haben wir hier eine Struktur geschaffen, die es zu erhalten gilt. Grundidee unserer Bildungspolitik ist der Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit – Bildung entscheidet über Lebensperspektiven und Teilhabechancen. Die uns bewegenden Themen der nächsten Jahre werden der Ausbau der Ganztagsschulen, der weitere Ausbau der Infrastruktur mit beispielsweise den beiden großen Neubauten BBS und SSW sein, zudem ist ein ganz wichtig Anliegen die Übergänge weiter in den Fokus zu nehmen, insbesondere  auch das Übergangsmanagement Schule – Ausbildung – Beruf weiter zu stärken und den Bedarfen anzupassen – um nur einige zentrale Themen zu nennen.

3)    Wirtschaft / Arbeit

Die Arbeitsmarktdaten in Nürnberg, sind insbesondere im Bereich Jugend und duale Ausbildung sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist nach wie vor ein Grund zu handeln. Hier steht an erster Stelle die Vermittlung von arbeitslosen Menschen auf einen Arbeitsplatz mit ausreichendem Lohn. Wer hier dennoch keine Chance hat, sollte Beschäftigung auf einem öffentlich geförderten Arbeitsplatz finden können. Gerade das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit müssen wir in den Blick nehmen und Auswege finden – die NOA ist hier ein wichtiger Partner der Stadt.

Kommunale Wirtschaftspolitik muss sich den Feldern Infrastruktur, Förderung und Vernetzung von zukunftsfähigen Kompetenzfeldern – dazu zählt auch ein attraktiver Hochschulstandort Nürnberg – eine aktive Bestandpflege, Flächenmanagement und Flächenentwicklung sowie auch ein attraktive Stadtmarketing. Gerade Flughafen, Messe und Hafen leisten hier einen immer wichtiger werdenden Beitrag zur kommunalen wie regionalen Wirtschaftsentwicklung.

4)    Stadtentwicklung und Wohnen

Städtische Flächen sind knapp, das gilt für Wohnbau – wie für Gewerbeflächen gleichermaßen. Nürnberg hat steigende Einwohnerzahlen, gleichzeitig gibt es natürlich den Bedarf, die Stadt mit Grünflächen und grünen Bändern aufzuwerten, dies konkurriert mit Bedarfen wie Flächen für soziale Infrastruktur und Gewerbeflächen – jeder Quadratmeter städtischen Grundes muss genau bewertet und genutzt werden. Dabei gelten die bislang schon benannten Kriterien wie Innen- vor Außenentwicklung, Gewerbeflächenrecycling vor neuen Gewerbeflächen und insbesondere die Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum wenn möglich in allen gewünschten Wohnformen abdecken zu können. Das bedeutet auch, knappe Naturräume zu erhalten und großflächigen Einzelhandel nach wie vor eher restriktiv zu handhaben.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Bereich der

Verkehrsfragen

Ein funktionierender Verkehr ist lebenswichtig für die Großstadt – das heißt in der Verkehrspolitik ein Miteinander von Fußgängern, Radfahrern, Autoverkehr und ÖPNV bestmöglich zu organisieren. Dazu zählen Baumaßnahmen wie der Frankenschnellweg genauso wie Einrichtung von Tempo 30 Zonen vor sensiblen Einrichtungen wie KiTas und Schulen aber auch die Planung von Radrouten in der Stadt.

Der Nahverkehrsentwicklungsplan wird weiter verfolgt, und muss nun priorisiert werden, Hier muss gelten, die Pendlerverkehre in die Stadt möglichst optimal abzuschöpfen, den Kosten-NutzenFaktor einzuplanen, aber auch die betriebswirtschaftlichen Folgen der VAG nicht außer Acht zu lassen.

Dabei gilt es zum einen, neue Ausbaupotentiale zu benennen – hier hat nach unserer Meinung oberste Priorität die StUB – eine Einigung mit Erlangen und dem Landkreis ERH vorausgesetzt.

Zudem gilt es, die Finanzierungsbedingungen im ÖPNV wieder genau unter die Lupe zu nehmen, von denen wir wissen, dass die unzureichend sind, so dass wir selbst mit Erhöhungen zu einem ständig steigenden Defizit kommen. Daher werden wir uns auf allen Ebenen für eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen des ÖPNV einsetzen.

Gerade der Stadttarif Nürnberg ist hier besonders sensibel zu sehen. Viele empfinden die Preise in Verbindung mit dem komplizierten Tarifsystem, dem fehlenden Semesterticket und einem nicht einheitlichen Schülerticket als besonders schwer akzeptabel. Hier möchten wir zumindest die Diskussion darüber führen, ob und wenn ja in welcher Weise wir hier Verbesserungen anstreben können, ohne weitere Defizite zu verursachen, die sich die Stadt nicht leisten kann.

Zumindest in Stichworten möchte ich nennen als ebenso wichtig für eine lebenswerte attraktive Stadt – ein attraktives Kulturleben – auch hier ist gerade im Baubereich viel zu tun, zahlreiche Aufgaben stehen an vom Konzertsaal bis zum Z-Bau, und nennen möchte ich auch Fragen der öffentlichen Sicherheit und Sauberkeit – auch dies große Wahlkampfthemen – haben weiterhin Vorrang und auch hier steht Einiges zur Lösung in der kommenden Stadtratsperiode an.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch Nürnberg als Stadt des Friedens und der Menschenrechte, das sich weiterentwickeln soll und aus dieser Verpflichtung heraus sich als weltoffen, kreativ und attraktiv präsentieren soll, als Stadt, in der sich alle wohlfühlen, die eine  hohe Lebensqualität garantieren will. Daran werden wir in den nächsten 6 Jahren weiter zu arbeiten haben.

Wir schlagen heute gemeinsam mit der CSU für den ersten weiteren Bürgermeister unseren bisherigen Fraktionsvorsitzenden Christian Vogel vor, und ebenfalls gemeinsam mit der CSU als zweiten weiteren Bürgermeister Dr. Klemens Gsell von der CSU. Beiden wünschen wir eine erfolgreiche Arbeit für die Stadt in ihren Geschäftsbereichen.

Dass die SPD-Stadtratsfraktion das Petitum nach einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Rat sehr ernst nimmt, unterstreichen wir dadurch, dass wir eine Reihe von uns zustehenden Sitzen in Ausschüssen und Abordnungen an andere Parteien abgegeben haben, ohne durch eine Vereinbarung eine Gegenleistung erhalten zu haben.

So treten wir im JHA je einen Sitz an Bündnis 90 / Die Grünen und die Ausschussgemeinschaft ab, wir treten einen Sitz im Aufsichtsrat der N-ERGIE an Herrn Dr. Pluschke ab.

Mit diesen Weichenstellungen, auch was die Ausschussgröße anbelangt, sind alle Entscheidungen heute folgerichtig.

Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Nürnbergerin vorstellen, Julie Meyer-Frank – derzeit gibt es eine Ausstellung zu ihr im Stadtarchiv.

Geboren in Nürnberg, Tochter eines jüdischen Bankiers, Studium u.a. bei Max Weber, 1922 promovierte sie über das Nürnberger Patriziat. Sie war aber auch eine politische Frau, kämpfte für Völkerverständigung, Frauenrechte und soziale Gerechtigkeit, war parteipolitisch zunächst in der DDP ( Deutsche demokratische Partei) engegirt, aus der sie dann wieder austrat, als diese sich immer mehr nationalvölkisch orientierte. 1939 wurde sie ausgebürgert, ihr wurde die  Doktorwürde entzogen. Sie ging in die Vereinigten Staaten,  1943 wurde sie amerikanische Staatbürgerin – 1970 starb sie in New York.

Sie war eine interessante Frau – aber warum erzähle ich Ihnen das alles?

Ich darf jetzt die SPD-Stadtratsfraktion vertreten, als Frau – was noch vor 100 Jahren undenkbar war, ist inzwischen zum Glück selbstverständlich – wir haben hier einen bunten lebendigen Stadtrat, auch mit vielen neuen Leuten, mit jungen Leuten, die sich für die Gesellschaft, für ihre Stadt engagieren möchten – und wir haben natürlich auch viele Frauen in unserem Gremium – das hätte Julie Meyer-Frank gefreut.

Uns so wird es in diesem Stadtrat auch selten das geben, was sie noch erlebt und beklagt hat: „Es gibt nichts Langweiligeres, als wenn in einer Versammlung drei Männer hintereinander reden!“

Ihr hätte der neue Stadtrat bestimmt gefallen – und wir als SPD-Stadtratsfraktion freuen uns auf die nächsten 6 Jahre."