G8 oder G9

Von der Wahlfreiheit zur Selektion – vorbei am Problem

SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Anja Prölß-Kammerer

Zur aktuellen Debatte über eine veränderte Lehrzeit an den bayerischen Gymnasien erklärt die Fraktionsvorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Dr. Anja Prölß-Kammerer:

„Zunächst hieß es, im Freistaat könnten die Schülerinnen und Schüler künftig wählen zwischen dem sogenannten G 8, also einem Abitur nach acht Jahren, oder dem G 9 mit dem Abi nach neun Jahren. So hieß es, wolle man die Wahlfreiheit für die Eltern und die Schülerinnen und Schüler herstellen.

Inzwischen ist diese Ankündigung nicht mehr gültig. Die Schülerinnen und Schüler sollen nach der 7. Klasse nun doch nicht frei wählen dürfen. Stattdessen sollen die „Schlechten“ den G 9-Zweig belegen und ein Jahr länger unterrichtet werden. Also so etwas wie ein Gymnasium für diejenigen, die zu allem etwas länger brauchen – angeblich. Das ist nicht gerade imagefördernd, weil die G 9-Schüler dann den Stempel bekommen, etwas langsamer von Begriff zu sein.

Genau dieser Aspekt wird schon am sogenannten Flexi-Jahr kritisiert. Die Jugendlichen wollen in ihrem Klassenverband bleiben, nicht freiwillig wiederholen und schon gar nicht das Gefühl des Scheiterns haben.

Man muss sich schon fragen, was diese Aktion schulpolitisch bringen soll – ist es wirklich nicht möglich, die Lehrpläne so zu gestalten und bei Bedarf zu entrümpeln, damit alle Schülerinnen und Schüler eine gleich lange Schulzeit bekommen können? Mag man sich nicht entscheiden, wie lange man braucht, den Stoff eines Gymnasiums zu bewältigen – obwohl das alle anderen Schularten auch schaffen? Ist es nicht wichtiger zu fragen, was eine Schule leistet als endlos zu streiten, wie lange sie dauert?

Auch für die Städte und Gemeinden, die als sogenannte Sachaufwandsträger zum Beispiel für die Schulhäuser und Klassenzimmer sorgen müssen, sind damit zahlreiche Finanzierungsfragen ungeklärt: Wie sollen G 8 und G 9 gleichzeitig angeboten werden? Welche Schulräume sind bereit zu halten? Was heißt dies für unsere städtischen Gymnasien in Nürnberg und wie wird der zusätzliche nicht nur räumliche sondern auch personelle Aufwand vom Freistaat vergütet?

Im Bildungsbereich gibt es viele dringende Probleme, die gelöst werden müssen: Dazu zählt in erster Linie der nach wie vor belegbare Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Es fehlt ein entschlossener Kampf gegen die Bildungsarmut vieler Bevölkerungsschichten, oder, gerade hier in Bayern, gibt es viele ungelöste Finanzierungszusagen für eine wirkliche Ganztagesschule. Sollte sich die Staatsregierung nicht viel mehr darum kümmern? Doch, das sollte sie.“