NSU-Dokumentationszentrum – geeigneten Standort in Nürnberg finden

  • von  Dr. Nasser Ahmed, Diana Liberova, Dr. Anja Prölß-Kammerer
    03.06.2025
  • Anträge
  • Status: offen

sprechSehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die neugebildete Bundesregierung hat die unter der Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP getroffene Grundsatzentscheidung für die Einrichtung eines NSU-Dokumentationszentrums aufgegriffen und in ihrem Koalitionsvertrag Nürnberg als Standort festgeschrieben.

Drei der zehn Morde, die neonazistische Verbrecher zwischen 2000 und 2007 begangen haben, geschahen in Nürnberg. Enver Şimşek (11. September 2000), Abdurrahim Özüdoğru (13. Juni 2001) und İsmail Yaşar (9. Juni 2005) waren unsere Mitbürger, sie und ihre Familien hatten in Nürnberg ihre Heimat. Am 23. Juni 1999 verübte der NSU in Nürnberg einen Sprengstoffanschlag auf die „Pilsbar Sonnenschein“ in der Scheurlstraße. Mittlerweile ist klar, dass Mehmet O., der schwer verletzt überlebte, das erste Opfer des NSU war.

Mit der Entscheidung, das Zentrum in Nürnberg anzusiedeln, geht eine große Verantwortung für unsere Stadt einher.

Von der Standortauswahl, einerseits durch die Festlegung auf Nürnberg, im zweiten Schritt durch die Festlegung auf einen konkreten Standort im Stadtgebiet, geht auch eine politische und gesellschaftliche Signalwirkung aus.

Laut einer Machbarkeitsstudie der Bundeszentrale für Politische Bildung soll das NSU-Dokumentationszentrum mehrere Ziele miteinander verbinden. Es soll Ort der kritischen Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex sein, Ort der historisch-politischen Bildung sowie Ort des würdigen Gedenkens an die Opfer und die Schicksale der Angehörigen.

Es ist eine zentrale Gelingensbedingung, die Opfer und Angehörigen in den Prozess eng mit einzubinden und ihre Vorstellungen zu berücksichtigen.

Von Seiten der Angehörigen und Überlebenden wurde der Wunsch geäußert, bei der Erinnerung an die Opfer des NSU deren Biografien herauszustellen und in Bezug zur deutschen Einwanderungsgeschichte, insbesondere der Anwerbung von Gastarbeitenden, zu setzen.

Sinnvoll wäre es daher, bei der Standortsuche insbesondere in Stadtteilen zu suchen, die für diese Geschichte stehen beziehungsweise durch die Tatorte einen Bezug aufweisen.

Denkbar wäre zum Beispiel ein Standort im Stadtteil St. Peter in der Nähe des Tatortes des Mordes an İsmail Yaşar, oder auch in Gostenhof, beispielsweise im ehemaligen Sparkassengebäude am U-Bahnhof „Maximilianstraße“

Des Weiteren ist die Einbettung in die politische und historische Bildungsarbeit vor Ort und die Verzahnung mit den bisherigen Angeboten, beispielsweise im Bereich der Menschenrechtsbildung, wichtig.

Neben diesen Kriterien gibt es auch praktische Anforderungen. So wird der Raumbedarf mit circa 5.000qm beziffert. Eine zentrumsnahe Lage mit guter Erreichbarkeit wird dringend empfohlen.

Für die Auswahl eines geeigneten Standorts erachten wir die Einrichtung eines Lenkungskreises als das geeignete Format. Dieser soll neben Expert:innen aus Bildung und Wissenschaft vor allem aber die Opfer und die Angehörigen in geeigneter Form einbinden. Denkbar wäre hier, zusätzlich zu Angehörigen, die bereit sind, sich an diesem Prozess zu beteiligen, eine Vertretung durch Barbara John als Ombudsfrau. Von Seiten der Stadtverwaltung sollte die Federführung bis zur Klärung der weiteren Struktur beim Menschenrechtsbüro liegen, da dieses sowohl über die fachliche Expertise und die notwendige Vernetzung verfügt als auch in gutem Kontakt zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren steht und vor allem das Vertrauen der Angehörigen genießt.

Aus der Angehörigenperspektive wären rasche Fortschritte bei der Standortsuche wünschenswert. Die erste Sitzung des Lenkungskreises sollte zeitnah einberufen werden, als Zeithorizont für das Vorlegen erster konkreter Standortvorschläge durch den Lenkungskreis sollte Ende des Jahres 2025 angestrebt werden.

Daher stellt die SPD-Fraktion zur Behandlung in einer der nächsten Sitzungen des Stadtrats folgenden

Antrag:

  1. Die Verwaltung berichtet über den aktuellen Stand des Austauschs mit dem Bundesinnenministerium und der Bayerischen Staatsregierung zur Errichtung eines NSU-Dokumentationszentrums in Nürnberg.
  2. Die Verwaltung richtet einen Lenkungskreis ein, der sich mit der Suche nach einem geeigneten Standort im Stadtgebiet befasst. Darin vertreten sollen sein:
    - Vertreter:innen des zukünftigen Planungsstabs zur Errichtung des NSU-Dokumentationszentrums.
    - Angehörigenvertretung / Vertrauensperson, zum Beispiel Barbara John als Ombundsfrau.
    - Fachlich mit dem Thema befasste Vertreter:innen der Stadtverwaltung, unter anderem des Menschenrechtsbüros
    - Vertreter:innen aus Wissenschaft und Bildungsarbeit, unter anderem des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände
    - Vertreter:innen der Zivilgesellschaft.
  3. Die Verwaltung erarbeitet zur Vorbereitung für den Lenkungskreis Vorschläge, welche Standorte unter Berücksichtigung der Kriterien der Machbarkeitsstudie für die Errichtung des NSU-Dokuzentrums geeignet und verfügbar wären.

Mit freundlichen Grüßen 

Ihre Ansprechpartner

Dr. Nasser Ahmed 
Fraktionsvorsitzender 

 

und 

 

Diana Liberova 
Mitglied des Stadtrats 

 

und 

 

 

Dr. Anja Prölß-Kammerer
Mitglied des Stadtrats