Tarif-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards bei Auftragsvergaben

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

mit einem Anteil von nahezu 60 Prozent haben die Kommunen den größten Anteil an den circa 460 Milliarden Euro, die jährlich für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ausgegeben werden. Die Stadt Nürnberg trägt somit, bei der Vergabe von Aufträgen eine große gesellschaftliche Verantwortung.

Viele Aufträge werden an Unternehmen aus der Region vergeben und sichern so Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Für die Vergabe öffentliche Aufträge sollte neben der Wirtschaftlichkeit auch die Einhaltung von Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards eine elementare Rolle spielen. Insbesondere auch als Stadt der Menschenrechte sollte Nürnberg mit gutem Beispiel vorangehen und die bestehenden Möglichkeiten voll ausschöpfen.
Leider ist der kommunale Handlungsspielraum diesbezüglich dadurch eingegrenzt, dass Bayern als eines der letzten verbliebenen Bundesländer kein eigenes Tariftreue- und Vergabegesetz hat.

Dabei haben Tarifverträge nicht nur Vorteile für die Beschäftigten, sondern auch eine positive gesamtgesellschaftliche Wirkung. Dem Abstiegsprozess in Armut und mangelnde Teilhabe wird aktiv entgegengewirkt. Es werden höhere Beiträge für die Sozialversicherungen gezahlt und höhere Steuereinnahmen erzielt.Die Stadt Nürnberg solle anstreben, künftig bei jeder Vergabe von Dienstleistungen die Anwendung von Tarifverträgen und die Tariftreue der ausführenden Unternehmen und beteiligter Nachunternehmen als Ausführungskriterium aufzunehmen.

Der Stadt Nürnberg mangelt es so bisher an entsprechendem Handwerkszeug, Mindestkriterien aufzustellen und deren Einhaltung auch strikt zu überprüfen und einzufordern. Dennoch existieren auch ohne landesgesetzliche Vorlage Spielräume bei den Vergaben, die von der Stadtverwaltung ausgenutzt werden sollen. Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Initiative des DGB Mittelfranken deswegen gerne 2022 in Form eines Antrags aufgegriffen, um die Vergabeverfahren der Stadt Nürnberg weiter zu entwickeln. Dieser wurde bisher nicht beantwortet.

Die SPD-Stadtratsfraktion stellt daher folgenden

Antrag:

Die Verwaltung erarbeitete einen Vorschlag zur Ergänzung der Vergabe- und Beschaffungsrichtlinie der Stadt Nürnberg, der folgende Punkte berücksichtigt:

  1. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots sind neben dem Preis und qualitativen Aspekten auch umweltbezogene und soziale Zuschlagskriterien zu verwenden. Ein Abweichen hiervon ist zu begründen.
  2. Bei Beschaffungen und Vergaben werden nach entsprechender Prüfung auch ökologische und soziale Kriterien wie beispielsweise Ressourcensparsamkeit, Müllvermeidung und Recycling, Schadstoffvermeidung oder Saisonalität sowie fairen Handel, und das Verbot von Kinderarbeit, die Beschäftigung von Auszubildenden, Langzeitarbeitslosen und Schwerbehinderten und die Vergütung der einzusetzenden Arbeitnehmer nach Tarif sowie die Mitbestimmung als Zuschlagskriterien berücksichtigt. Dabei ist zu beachten, dass diese Kriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Jeweils sind bei der Vorbereitung der Vergabe entsprechende Prüfungen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien anzustellen und zu dokumentieren. Insbesondere gilt die vorgenannte Dokumentationspflicht, wenn die Entscheidung gegen die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien ausfällt.
  3. Die Bedingungen für die Ausführung des Auftrags können neben wirtschaftlichen und innovationsbezogenen Gesichtspunkten auch umweltbezogene und soziale Belange umfassen. Insbesondere bei Vorgaben umweltbezogener Ausführungsbedingungen kann die Betrachtung. 
  4. Die Verwaltung berichtet gegenüber dem Stadtrat jährlich über die Anwendung der Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards als Kriterium bei Vergaben. Werden die Tarif-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards bei einzelnen Vergaben nicht angewendet, ist dies dem Stadtrat gegenüber zu begründen.
  5. Die Verwaltung überprüft stichprobenartig die Einhaltung der Tarif-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards durch die beauftragten Unternehmen.

Der Oberbürgermeister geht im Interesse der Stadt Nürnberg auf den Freistaat Bayern zu und setzt sich für ein Tariftreue- und Vergabegesetz auf Landesebene ein.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Ansprechpartner

Christine Kayser
Fraktionsvorsitzende

 

und

 

Gerhard Groh
stv. Fraktionsvorsitzender