Kommunale Liegenschafts- und Bodenpolitik - Stellschrauben zum Wohnungsbau weiterfortschreiben

Bezahlbares Wohnen für Alle - Das Quartier als Dorf in der Grossstadt

Wie in vielen deutschen Großstädten ist auch in Nürnberg der Wohnungsmarkt in den letzten Jahren zunehmend unter Druck geraten. Dies zeigt sich an den anhaltenden Preissteigerungen bei den Miet- und Immobilienpreisen, aber auch an den zahlreichen Vormerkungen von berechtigten Haushalten für geförderten Wohnraum.

Einer der Gründe ist der anhaltende Bevölkerungszuwachs infolge des wirtschaftlichen Wachstums und der damit einhergehenden Attraktivität Nürnbergs. Innerhalb der letzten zehn Jahre sind mehr als 34.000 Personen, dies entspricht der Größe einer Stadt wie Forchheim, zugezogen.

Druck auf dem Wohnungsmarkt wird sich weiter verschärfen.

Neben der Bevölkerungsentwicklung gibt es weitere Faktoren, die zur Anspannung des Nürnberger Wohnungsmarkts spürbar beitragen, wie z.B. der Anstieg der Wohnfläche pro Kopf. Dieser hängt eng mit der steigenden Zahl an Einpersonenhaushalten zusammen, die mittlerweile mehr als 50 Prozent aller Haushalte ausmacht. Dazu kommt der große Nachholbedarf an Wohnungsneubau, der sich aus den zu niedrigen Fertigstellungszahlen der vergangenen Jahre ergibt.

Es ging zwar zum ersten Mal seit Jahren die Bevölkerungszahl leicht um 5.664 zurück auf 530.222. Dennoch ist eine Marktentspannung nicht erkennbar. (Wohnungsmarktbericht 2021) Dies ist aber bereits überholt durch den Zuzug aus dem Kriegsgebiet der Ukraine.

Ein künftig wieder zunehmendes Bevölkerungswachstum deutet sich aufgrund von Nachholeffekten infolge der Pandemie bereits an. Insbesondere im Hinblick auf die Schaffung bezahlbaren Wohnraums bleiben die Herausforderungen damit weiterhin groß.

Neue, bezahlbare Wohnungen werden auch benötigt, um die stetig ansteigenden Mieten auszubremsen. Mittlerweile weist der Mietenspiegel eine Durchschnittsmiete im freifinanzierten Wohnungsbau von 9,18 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche aus, 2020 waren es noch 8,54 Euro. Schon heute müssen viele Haushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens aufwenden, um die Miete bezahlen zu können. Nebenkosten sind hier noch nicht mit eingerechnet. SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm: „Die Wohngeldreform zum Jahreswechsel 2023 war deswegen der richtige Schritt, um gerade Menschen mit niedrigem Einkommen die notwendige Unterstützung zu geben. Langfristig sollte das Ziel sein, mit den Mitteln des Wohngeldes lieber direkt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, um so auf diese Transferleistungen verzichten zu können. Dies entspannt auch den Verwaltungsaufwand in den Kommunen.“

Wie sieht eine solidarische Stadtgesellschaft aus?

Diese Entwicklungen führen in Verbindung mit der herrschenden Knappheit an Baugrundstücken und der jetzt steigenden Zinslage zu Preissteigerungen, die es zunehmend auch Haushalten mit mittleren Einkommen schwermachen, bezahlbaren Wohnraum in Nürnberg zu finden.

In vielen Fällen ist die Bereitstellung von Grundstücken eine Grundvoraussetzung zur Wohnraumsicherung. Es gibt keine nachhaltige Stadtentwicklung ohne die Mobilisierung von Liegenschaften, sei es für den Wohnungsbau, für die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur, für die Bereitstellung der sozialen und verkehrlichen Infrastruktur und für die Versorgung mit Grünflächen und grüne Freiraumverbindungen.

Der Klimawandel ist auch eine soziale Frage

Der Klimawandel stellt die Gesellschaft auch vor soziale Herausforderungen, die nicht weniger komplex sind als die technologischen und finanziellen. Es geht nicht nur darum, welche Energien nachhaltig sind und welche technischen Neuerungen zum Erreichen der Klimaziele beitragen können. Sondern auch darum, wie die Gesellschaft solidarisch dazu beitragen kann, ohne jemanden abzuhängen:

Für die Gesamtgesellschaft könnte es heißen, dass es zu Spaltungstendenzen kommt. Es gilt zu verhindern, dass sich „abgehängte Stadtteile“ entwickeln: Regionen, wo nur Menschen mit wenig Ressourcen wohnen. In den Zentren blieben hingegen eher Menschen mit hohen Einkommen zurück. „Bisher ist dieser Effekt in Nürnberg nicht zu erkennen. Es muss allerdings unbedingt darauf geachtet werden, dass alle Menschen in der Stadt dieselben Teilhabe-Chancen haben“, erklärt Fabian Meissner, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion.

Das Großstadt-Stadtquartier zurück zum Dorf

Lokale Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl und kurze Wege: Das sind Eigenschaften, die Menschen vor allem mit Dörfern verbinden. Das entspricht der Idee der 15-Minuten-Städte. Einem urbanen Wohnkonzept, bei dem die wichtigen Dinge des täglichen Bedarfs entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad vom Wohnhaus innerhalb von 15 Minuten erledigt werden sollen. „In einer großen Stadt mit einer kleinräumigen Nachbarschaft zu leben, kommt dem Alltagsgefühl der Menschen immer näher“, beschreibt Christine Kayser, stadtplanungspolitische Sprecherin.

„Räumliche Strukturen haben sehr wohl Einfluss auf einen stärkeren Zusammenhalt und auf die Identifikation mit der Nachbarschaft. Gerade während der Lockdown-Phasen haben viele Menschen gelernt, wie wichtig es ist, sich lokal verbunden zu fühlen“, so Kayser weiter. Stadtquartiere wie kleine Dörfer zu gestalten, muss daher ein Ziel der künftigen Planungen sein.

Wohnungsbaugipfel mit den Akteuren für Nürnberg

Die Baulandmobilisierung und eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik sind ein wichtiges Element in einem wohnungspolitischen Gesamtpaket. Neben Sofortmaßnahmen für mehr Wohnungsbau, u.a. durch die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, muss mittel-und langfristig sowohl eine stärkere Gemeinwohlorientierung des Eigentums erfolgen als auch das Baulandangebot, insbesondere in der Innenentwicklung, ausgeweitet werden. Gefordert ist ein sorgfältiger Umgang mit dem nicht vermehrbaren Gut Grund und Boden unter Berücksichtigung der stadttypischen Gegebenheiten.

Stagnation beim Wohnungsbau ist ein großes Problem

Brehm und Meissner planen deshalb zusammen mit ihrer Kollegin Christine Kayser mit den unterschiedlichen Akteuren der Bau- und Wohnungswirtschaft sowie den Mietervereinigungen einen Wohnungsbaugipfel im kommenden Jahr 2023, um eine Einschätzung der aktuellen Lage und der angepassten Bauprogramme zu bekommen.

Hilfe leisten kann auch das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum", ins Leben gerufen von Bundesbauministerin Klara Geywitz. Bund, Länder und Kommunen müssen ihrer besonderen Verantwortung für die Wohnungspolitik gerecht werden, vor allem aber ist ein aktives Handeln aller Verantwortlichen in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich auf der Basis der Prinzipien der Leipzig Charta erforderlich.

Stellschrauben weiterentwickeln

In den vergangenen Jahren wurden auf kommunaler Ebene bereits einige Meilensteine erreicht: Die Zweckentfremdungssatzung, bei Bauprojekten ab 30 Wohneinheiten eine 30prozentige Quote an sozialgefördertem Wohnbau und die stadteigene Projektentwicklungsgesellschaft.

Die SPD sieht mit ihrem Antrag zum „Modul 2 Lichtenreuth“ eine weitere Entwicklung der vielfältigen Stellschrauben vor. Beim bezahlbaren Wohnen geht es immer, vom großen Ganzen, ins viele kleine wichtige Detail zu blicken. Es gilt, verstärkt eine aktive „Vorratspolitik“ zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus betreiben. Die Konzeptvergabe oder die gezielte Vergabe an Wohnbaugenossenschaften sollte deutlich an Bedeutung zurückgewinnen, sogar Vorrang finden. Qualität als Vergabekriterium sollte – gegenüber einer Vergabe nach Höchstpreis – gestärkt werden. Gleichzeitig sollten die stadteigene, über 100 Jahre alte Wohnungsbaugesellschaft weiter auf ihre über Jahrzehnte gefestigte Rolle dem sozial geförderten Wohnungsbau weiter verstärken. Eigene Immobilien sind auch für Kommunen eine stabile Kapitalanlage.

Bestehende Stadtverwaltungsstrukturen zum Grunderwerb und die städtische Projektentwicklungsgesellschaft müssen in diese Maßnahmen mit einbezogen und effektiv und effizient weiterentwickelt werden. Die Erfahrungen aus Lichtenreuth können hierbei einen Modellcharakter erhalten.

Kontakt: Thorsten Brehm, Christine Kayser, Fabian Meissner