ERLEBNISRAUM ALTSTADT - BILD UND ATMOSPHÄRE - Zukunft gestalten - Qualität herstellen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

der laufende Strukturwandel in unserer Stadt wird durch die Corona-Pandemie verstärkt und beschleunigt. Bürobeschäftigte sind im Homeoffice, Einzelhandel, Kultur und Gastronomie mussten weitgehend schließen. Der Einzelhandel war schon vorher im Umbruch und ist jetzt in einer schweren Krise. Unsere öffentlichen Räume und Straßen-sind allerdings in den Innenstädten noch nicht auf diesen Strukturwandel und die damit verbundenen Anforderungen vorbereitet. Ihr Ambiente, ihre Ausstrahlung und ihre Nutzung lässt in den Augen vieler Verbraucher*innen zu wünschen übrig.

Es lässt sich also von zwei Seiten eine Entwicklung in den Innenstädten feststellen, die zu erheblichen Veränderungen führen wird, aber auch gute Chancen birgt, wenn wir bereit sind grundlegende Änderungen herbeizuführen. Wir wollen unsere Innenstadt gemeinsam und interdisziplinär Zukunftsfest und zu einem vollumfänglichen Erlebnisraum machen, die allen gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht wird. Um dieser Herausforderung, die sich bereits vor Corona angedeutet hat, zu begegnen, sind wichtige Weichenstellungen nötig. Es müssen neue Prozesse unterstützt und begleitet werden, die weit über das hinausgehen, was wir bisher kennen. Und das geht nur kleinteilig - Objekt für Objekt, Straße für Straße, Platz für Platz. Wir - die Kommune – werden bei dieser Erneuerung eine führende Rolle spielen müssen.

Anknüpfend an das seit 2008 existierende Städtebauförderprogramm von Bund-Land „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (Innenentwicklung) in Zusammenarbeit mit öffentlicher – privater Kooperation“ müssen wir deshalb den weiteren Planungsprozess für unsere Innenstadt klären und gemeinsam Antworten auf drängende Zukunftsfragen finden, wie:

  • Wie lässt sich unsere Stadt erfolgreich vermarkten – mit ihrer Wirtschaftskraft, ihrem Lebensgefühl, ihren architektonischen Reizen?
  • Wie können wir wirtschaftliche Interessen mit der Wirkung und Anziehung des Stadtraums auf die Konsumenten, Besucher*innen und Bewohner*innen besser verzahnen?
  • Wie können wir hierfür einen sinnvollen Planungsprozess mit Qualitätssicherung einleiten, um Qualität des Nürnberger Innenstadtstandorts für die Zukunft zu sichern?

Als SPD-Stadtratsfraktion sind uns in diesem Zusammenhang u.a. folgende Punkte wichtig:

1) Vorhandenes pflegen und weiterentwickeln

  • Das Gestaltungshandbuch – „Die Nürnberger Linie“ - muss konsequent angewandt werden, um das sichtbar typische Nürnberg-Bild zu erhalten. In diesem Zusammenhang muss ein sinnvoller Prozess aufgelegt werden, der eine Fortschreibung und Ergänzung der Gestaltungsrichtlinien auch in Zukunft ermöglicht. Ein geeigneter Prozess muss hierfür jetzt unter Beteiligung des Stadtrats aufgesetzt werden.
  • Strategisches Leerstandsmanagement muss im Sinne der Sicherstellung eines vielfältigen Stadtbildes betrieben werden. Der Erfolg ist hierbei nur durch das koordinierte Handeln möglichst aller Akteure möglich – d.h. im Zusammenwirken von Immobilieneigentümer*innen, öffentlicher Verwaltung, Förderinstituten, Gewerbetreibenden bzw. Einzelhandelsfirmen und Kultureinrichtungen.
  • Vergrößerte Freischankflächen sollten, wie bereits seit Beginn der Corona-Pandemie geschehen, weiterhin unterstützt werden. Viele Nürnberger*innen finden Gefallen an der alternativen Nutzung von Parkplätzen mit sogenannten „Parklets“. Im Sinne des SPD-Antrags vom 20.05.2020 steht zudem über Corona hinaus die weitere Entwicklung dieser initiierten Prozesse an. Unser Ziel sind kleine Oasen im Trubel der Großstadt. In der Inneren Laufer Gasse hat sich diesbezüglich eine sog. „Sommerstrasse“ entwickelt. Diese kann als Vorbild für andere Entwicklungsorte dienen.
  • Barrierefreie Pflasterbeläge für Kinderwägen, Rollatoren und Rollstühle sind eine sinnvolle Maßnahme, um die Innenstadt auch für Familien, Ältere oder Menschen mit Handicap nutzbar zu machen. Wie bereits mit dem geschnittenen Granit vor dem Rathaus begonnen, sollte dieses Konzept konsequent weiterverfolgt werden. Entsprechend soll demnach bei allen SÖR-Baumaßnahmen (z.B. bei der Reparatur von Leitungen) das barrierefreie Pflaster systematisch mit geplant werden. Die Übergänge zum Bestandspflaster müssen in diesem Zuge ebenfalls ansprechend gestaltet werden.
  • Das Konzept „Bürgerstuhl“ ist bereits am Nürnberger Wochenmarkt erfolgreich erprobt und soll nun in die weitere konkrete Umsetzung gebracht werden (siehe SPD-Antrag vom 11.01.2018). Eine Möglichkeit wären bspw. 50 Bürgerstühle in der Innenstadt/Altstadt zur freien Verfügung in Form von Patenschaften in der Obhut von Läden und Einrichtungen vor Ort.

2) Neues entwickeln

  • Die neue Entwicklung von grünen Gestaltungselementen, die sowohl ökologisch als auch ästhetisch den neuen Ansprüchen an die Herausforderungen des Klimawandels und dem Schutz unserer Artenvielfalt gerecht werden. Zusätzliche Bäume, Grünflächen und Flächenentsiegelungen sollen nicht nur Ruheoasen bilden, sondern auch zu einem guten Stadtklima beitragen (z.B. als Sonderelement auf dem Hauptmarkt ein „Mobiles Grünes Zimmer“)
  • Für Kinder Spielpunkte im Stadtraum herstellen. Die Verwaltung berücksichtigt bei jeder neuen Platzgestaltung die Möglichkeit sog. „Spielpunkte“ zu installieren. Hierfür sollen jetzt durch die Verwaltung ausgewählte Orte v.a. in der Innenstadt vorgestellt werden, an denen diese Spielmöglichkeiten neu entstehen könnten.
  • Neue Elemente zum gemeinsamen Sitzen im non-profit-Bereich für gelungene Kommunikations- und Entspannungsmöglichkeiten entwickeln. Diese sollen vielfältig nutzbar sein und der Aufenthaltsqualität aller Generationen dienen. Die Qualität wird in diesem Fall v.a. durch die Möglichkeit einer vielfältigen gesellschaftlichen Aneignung bestimmt, die auch eine grundsätzliche Beweglichkeit zulässt (z.B. innovative Bänke um Bäume; multifunktionale Sitzinseln für Großstadtbummler). Dieser Prozess könnte Beispielsweise in der neuen „Fußgängerzone Königsstraße“ mit ersten Politprojekten starten.
  • Kunstobjekte und Experimente sollen spezifischen Orten entwickelt und eine Aneignung durch die Bürgerschaft ermöglichen. Dabei sollen künstlerische Prozesse gewagt und Kunstobjekte für eine gemeinsame urbane Identität entwickelt werden. Kunstaktionen werden dabei temporär in ihrer Vielfalt in den Veränderungsprozess einbezogen und ihre Wirkungsergebnisse in weitere Planungen einbezogenen.
  • Gemeinsame Lagen, wie Straßenzüge oder Werbegemeinschaften mit charakteristischen Elementen, sollen mit den betroffenen Akteuren vor Ort gemeinsam entwickelt werden (z.B. bzgl. Blumenschmuck; Sitzmöbeln etc.). Dabei sollen die besonderen und charakteristischen Merkmale von Plätzen und Stadträumen hervorgehoben und betont werden (z.B. mit einer entsprechenden Beleuchtung).

3) Prozesse und Interdisziplinarität herstellen und optimieren

  • Das Konzept „Erlebnisraum Altstadt“ versteht sich als „Brückenbauer“ bzw. „Verständigungs- und Vermittlungsmedium“ von Interessenvertreter*innen aus Verwaltung, Wirtschaft, Handel, Gastronomie, Tourismus und Bürger*innen aller Generationen. Es soll auf diese Weise ein gemeinsames Produkt aus Interdisziplinarität und Beteiligungsprozessen zur Lösung von Nutzung und Nutzungskonflikten für einen großen Teil der Stadtgesellschaft ermöglichen.
  • Kunst- und Kulturprojekte können spielerisch mit temporären künstlerischen Aktionen bei der Gestaltung von Stadträumen eine wichtige Rolle übernehmen. Sie setzen Impulse, eröffnen Dialoge mit den Bürger*innen und sind damit ein probates Mittel partizipativer Prozessgestaltung in der Stadtentwicklung. Interdisziplinäre Ideenwettbewerbe oder Ideen-Werkstätten können darüber hinaus den Blick von außen für vielfältige Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten herstellen.
  • Bild und Atmosphäre bestimmen die Wirkung unseres öffentlichen Raums. Das Handlungsfeld besteht dabei aus vielen unterschiedlichen Elementen. Das gekonnte Zusammenspiel der verschiedenen Ausstattungselemente ergibt dabei das wahrgenommene Bild sowie eine gelungene Atmosphäre. Dazu braucht es in der Stadtverwaltung einen konsequenten Qualitätssicherungsprozess mit definierten Verantwortungs- und Zuständigkeitsstrukturen für das zu gestaltende Gesamtergebnis im öffentlichen Raum.

Entsprechend der aufgeführten Themenbereiche stellt die SPD-Stadtratsfraktion im zuständigen Ausschuss folgenden

Antrag:

  • Die Verwaltung berichtet über die Möglichkeiten, wie die Finanzhilfen des Bund-Land-Förderprogramms „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (Innenentwicklung) in Zusammenarbeit mit öffentlicher - privater Kooperation“ zur Standortaufwertung in Nürnberg eingesetzt werden können. Dabei wird auch darauf Bezug genommen, wie Baupauschalen (z.B. aus dem Bereich „SÖR“) mit Stadtbaufördermitteln sinnvoll aufgestockt werden.
  • Die Verwaltung berichtet, wie der Prozess auf Grundlage des integrierten Stadteilentwicklungskonzepts Altstadt (INSEK) verwaltungsintern mit einem geeigneten Organigramm zur Qualitätssicherung und zur Zusammenarbeit organisiert wird, um die oben aufgeführten Ziele konsequent umsetzen und gewährleisten zu können. Hierfür wird eine ämterübergreifende Struktur mit verschiedenen Schwerpunkten und definierten Verantwortungen als Grundlage vorausgesetzt.
  • Die Verwaltung berichtet über Möglichkeiten, wir externe Expertise und Einschätzung eingebunden werden kann, um Innovationen und Experimente für konkrete Vorhaben zur Innenentwicklung zu erreichen. Dabei geht sie auch auf bereits bestehende, bewährte oder noch zu erprobende Formate und Formen ein.
  • Die Verwaltung berichtet über die Ergebnisse der, im Rahmen der IHK Initiative „City Werkstatt“, angestoßenen Initiative.
  • Die Verwaltung erarbeitet Strukturen zur Entwicklung von zusätzlichen wirtschaftlichen Potentialen für Gastronomie, Einzelhandel und impulsgebenden Initiativen, die für den zukünftigen „Erlebnisraum Altstadt“ relevant sind. Dabei wird auch darauf eingegangen, in welcher Form öffentlich-private Kooperationen zur Standortaufwertung durchgeführt werden?
  • Die Verwaltung führt die vielen zugehörigen städtischen Initiativen und bereits begonnene Projekte aus allen städtischen Referaten übersichtlich in einem „Masterplan Innenstadt“ zusammen, um die einzelnen Maßnahmen gemeinsam mit den relevanten Innenstadtakteuren Schritt für Schritt in einer abgestimmten Finanzierung ämterübergreifend umsetzen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Antragsteller

Thorsten Brehm
Fraktionsvorsitzender

 

und

 

Christine Kayser
stadtplanungspolitische Sprecherin

 

und

 

Claudia Arabackyj
stv. Vorsitzende/jugendpolitische Sprecherin