Bundesregierung will kommunale Hausmüllentsorgung schwächen

OB Ulrich Maly und Umweltreferent Peter Pluschke nehmen Stellung

  • von  Dr. Ulrich Maly
    18.04.2011
  • Maly

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Umweltreferent Dr. Peter Pluschke nehmen Stellung zu einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die kommunale Hausmüllentsorgung schwächt. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch vergangener Woche den Entwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beschlossen. Er wird nun zunächst dem Bundesrat und danach dem Bundestag zugeleitet. Der Gesetzesentwurf stellt nach Auffassung des Bundesumweltministeriums einen fairen Kompromiss zwischen den kommunalen Interessen und denen der privaten Entsorgungswirtschaft dar. Dem widersprechen Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Umweltreferent Dr. Peter Pluschke entschieden:
„Der von der Bundesregierung am 30. März 2011 beschlossene Gesetzesentwurf schwächt ohne Not die Kommunen in ihrer Rolle als Abfallentsorger für die privaten Haushalte. Die Entwurfsvorlage ist eine Enttäuschung. Anders als vom Bundesumweltministerium behauptet, stellt der Entwurf des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes keinen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der kommunalen und der privaten Entsorgungswirtschaft her. Eine im Vorfeld vom Städte- und Landkreistag initiierte und vom Nürnberger Stadtrat am 26. Januar parteienübergreifend einstimmig beschlossene Resolution zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts bleibt zu wesentlichen Forderungen unberücksichtigt. Die Kommunen tragen seit Jahrzehnten die Verantwortung für eine sichere, ökologisch hochwertige und ressourceneffiziente Abfallentsorgung in Deutschland. Langfristige Investitionen der Kommunen in ihre Entsorgungsinfrastruktur dürfen nicht dadurch entwertet und im Bestand gefährdet werden, dass ihnen jetzt Abfallströme von den privaten Entsorgern entzogen werden. Die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger vor Ort wissen am besten, wie unter den jeweiligen Verhältnissen der Hausmüll erfasst werden muss, um die Ziele einer Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erreichen. Unsere Nürnberger Abfallwirtschaft wurde nicht zuletzt im Wettbewerb um die Umwelthauptstadt Europas als besonders effizient bewertet. Die vorgesehene obligatorische Einführung einer Wertstofftonne – wie von der Bundesregierung beabsichtigt – ist nach Ansicht des Umweltreferenten Pluschke nicht notwendig; zumindest sollte die Kommune selbst über eine Einführung entscheiden dürfen. Die Praxis hier in Nürnberg ist schon weiter und zeigt genügend erfolgreiche Beispiele für eine gute Zusammenarbeit zwischen privaten und kommunalen Entsorgungsunternehmen, wenn unter kommunaler Regie aus privaten Haushalten erfasste Wertstoffe von privatwirtschaftlichen Unternehmen aufbereitet beziehungsweise verwertet werden. In Nürnberg ist, wie in den anderen bayerischen Kommunen auch, ein gut funktionierendes Wertstoffhofsystem installiert, das eine zuverlässige und flächendeckende Wertstofferfassung für die angestrebten Recyclingziele garantiert. Unsere flächendeckende Wertstofferfassung ist ein Erfolgsmodell und wird von den Bürgern bestens angenommen. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll die Überlassungspflicht für Abfälle aus Haushalten an die Kommunen eingeschränkt und zugunsten der gewerblichen Sammlung durch private Entsorgungsunternehmen deutlich aufgeweicht werden. Der Verweis der Bundesregierung auf europäisches Wettbewerbsrecht ist hier als argumentative Stütze für eine einseitige Stärkung privater Entsorger nicht zutreffend. 

Die Erlöse aus der ‚Wertstofftonne‘ kämen nur ihren Veranlassern, also den privaten Unternehmen zugute. Diese Erlöse fehlen im Gebührenhaushalt. Wenn die Preise für Wertstoffe sinken, ziehen sich private Unternehmen häufig zurück. Für diese Fälle sollen aber die öffentlich-rechtlichen  Entsorgungsträger, also die Kommunen, in der Gewährsträgerschaft für eine reibungslos funktionsfähige Entsorgungssicherheit bleiben. Die Wertstofferfassung gehört in die Hand der öffentlich-rechtlichen und nicht in die Trägerschaft der privaten Entsorger. Nur so ist eine zuverlässige und flächendeckende Wertstofferfassung möglich. Die Erlöse aus der Vermarktung müssen dem Bürger zugutekommen. Sie tragen zur Kostendeckung bei und stabilisieren die Gebührenkalkulation. Wir gehen aber davon aus, dass der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf das Gesetzgebungsverfahren so nicht durchlaufen wird und spätestens im Bundesrat wieder die Belange der Kommunen und ihrer Bürger berücksichtigt werden. Schließlich haben bereits verschiedene Bundesländer und auch der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, Dr. Markus Söder, noch im März 2011 versprochen, sich für eine Stärkung der Daseinsvorsorge der Kommunen – entsprechend der Forderungen der Resolution des Nürnberger Stadtrats – einzusetzen. Es müsse verhindert werden, dass den Kommunen im Fall einer privaten Trägerschaft der Wertstofferfassung nur noch die Entsorgung der wertlosen Abfallfraktion bleibe, wie der Bayerische Umweltminister erklärt hat.

Die Resolution des Nürnberger Stadtrats zum Kreislaufwirtschaftsgesetz ist bereits an die örtlichen Bundestagsabgeordneten weiter geleitet worden, verbunden mit der Bitte, die Position der Kommunen zu unterstützen. Nunmehr sollen im Hinblick auf die anstehenden Beratungen des Gesetzes im Bundesrat auch die Landtagsabgeordneten informiert werden. Es geht darum, sie für eine Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge zu gewinnen.

Statt einer einheitlichen Wertstofftonne wünschen wir uns individuelle Lösungen vor Ort, die bereits aufgebaute Sammel- und Verwertungssysteme einbeziehen. Die Festlegung hoher Verwertungsquoten ist wichtiger, als den Weg zur Erreichung der Quoten zu bestimmen.“ let