Drogenhilfezentrum Nürnberg

  • von  Diana Liberova/ Jasmin Bieswanger/Dr. Ulrich Blaschke
    24.07.2020
  • Anträge

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
 
in Nürnberg sind seit vielen Jahren mehr Drogentote zu beklagen als in vergleichbaren deutschen Städten. Dies wollen wir ändern und sehen deshalb Handlungsbedarf auf dem Feld der Drogenhilfe. Zwar besteht ein sehr gut funktionierendes und gut zusammenarbeitendes Netz der entsprechenden Akteure, dennoch wird immer wieder auch seitens der Fachleute auf die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung und Intensivierung einzelner Ansätze hingewiesen. 

Umso wichtiger wäre es, die bisher vorhandenen Lücken in der Drogenhilfe und -prävention zu schließen und mit einem städtischen Drogenhilfegesamtkonzept die Bündelung und Ergänzung der bestehenden Angebote zu entwickeln. Dies betrifft z.B. die Bereiche der Substitution, des Clearings und Angebote zum sicheren Konsumieren.

Nicht zuletzt deswegen nahmen wir die Einrichtung eines „Drogenhilfezentrums“ in den Kooperationsvertrag zwischen SPD und CSU auf. Ein solches Zentrum soll die bestehenden Hilfsangebote ergänzen und ist als ein Baustein des angesprochenen städtischen Drogenhilfegesamtkonzeptes zu entwickeln. Im Rahmen des entsprechenden Gesamtkonzeptes sind aber auch die bisher bestehenden Angebote der Drogenprävention und der Drogenhilfe zu stabilisieren, qualitativ weiterzuentwickeln und insbesondere das Ineinandergreifen unterschiedlicher Elemente der Drogenhilfe auf ein höheres Niveau heben. 

Ein Drogenhilfezentrum soll, nach unserem Verständnis, ein wichtiger, kooperativer Knotenpunkt im Hilfesystem werden, welcher einen niederschwelligen Zugang zu bekannten, aber auch zu neuen Gruppen von Konsumentinnen und Konsumenten ermöglicht. Ziel muss es sein, die vorhandenen und die innovativen, neuen Möglichkeiten zu bündeln und zugänglich zu machen. Ein Drogenhilfezentrum umfasst entsprechend sowohl medizinische Hilfen (z.B. Wundversorgung, Infektionsrisikominimierung, Vermittlung risikoärmerer Konsumformen) als auch Beratung und Unterstützung bei psychischen und sozialen Schwierigkeiten (u.a. Krisenintervention, Ausstiegshilfen, Brückenfunktion ins Hilfenetz). Es sollen zudem Angebote des Aufenthalts, Beratungsangebote, Angebote der Substitution, der Entwöhnung sowie der Rückfallberatung und soziale Angebote (z.B. Verpflegungsmöglichkeiten, Hygieneeinrichtungen) gemacht werden. Auch das sichere Konsumieren und die Vermittlung von vor Schädigung bewahrender Konsumkompetenz sind wichtige fachliche Bestandteile einer umfassenden Drogenhilfekonzeption und daher konzeptionell zu berücksichtigen.   

Uns ist bewusst, dass die Schaffung einer sicheren Konsummöglichkeit in Teilen der Gesellschaft kontrovers gesehen wird und nicht überall leicht zu vermitteln ist. Wir halten die Zeit jedoch reif für einen Modellversuch. Wir sind aufgrund der Erfahrungen in anderen Städten zuversichtlich, dass ein Modellversuch nicht nur Ängste abbauen, sondern auch die erhofften positiven Wirkungen zeigen wird - neben der Verringerung von Todesfällen auch eine Entlastung des öffentlichen Raums von den Spuren des öffentlichen Drogenkonsums (z.B. in Grünanlagen, auf Spielplätzen und in Fußgängerpassagen).
 
Um die Drogenhilfe in Nürnberg aktuell und zukunftsweisend aufzustellen, stellt die SPD Stadtratsfraktion zur Behandlung im zuständigen Ausschuss folgenden Antrag:
 

  1. Die Verwaltung entwickelt zeitnah in enger Zusammenarbeit mit den Institutionen der Drogenhilfe ein städtisches Gesamtkonzept der Prävention sowie der Drogenhilfe und erstellt als wesentlichen Baustein insbesondere ein Konzept für die Einrichtung eines Drogenhilfezentrums, das passgenau in das Hilfesystem in Nürnberg eingebunden ist. 
  2. Dabei sollen die bestehenden Nürnberger Handlungsansätze, die sich auch bundesweit bewährt haben, aufgenommen und gestärkt werden. Auch soll eine Clearingstelle für die Betroffenen in unterschiedlichen Phasen der Abhängigkeit angeboten werden, um das jeweils geeignete Angebot gezielt unterbreiten zu können. Außerdem soll ein niederschwelliges Substitutionsangebot eingeführt werden.
  3. In diesem Zusammenhang ist ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, das die Bestandteile eines Drogenhilfezentrums auch räumlich zusammengeführt, und das im bestehenden Netzwerk kooperativ aber dezentral angeboten wird. 
  4. Die Verwaltung lädt zu einem Runden Tisch ein, der zusammen mit den relevanten Partnerinnen und Partnern die Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Drogenhilfe und die Konzeption eines Drogenhilfezentrums abstimmt. Diesem sollen neben dem Sozialamt unter anderem die Träger der Drogenhilfen, das Klinikum Nürnberg, Gesundheitsamt, Polizei, Ordnungsbehörden, Justiz, Stadtplanung und Betroffenenvertretung angehören.
  5. Die Verwaltung prüft im Zuge der Konzepterstellung auch, inwieweit als Teil der Gesamtkonzeption ein Drogenkonsumraum konzipiert werden sollte, und klärt mit der Bayerischen Staatsregierung die Rahmenbedingungen für ein Modellprojekt zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums.
  6. Ein Finanzierungskonzept ist zu erstellen, das alle Möglichkeiten der Beteiligung durch Land, Bezirk und weiterer Mittelgeber bei der Finanzierung einbezieht.

Ihre Antragssteller

Diana Liberova

Sozialpolitische Sprecherin

Jasmin Bieswanger

Gesundheitspolitische Sprecherin

Dr. Ulrich Blaschke

Sicherheitspolitischer Sprecher